Manipulation vor dem Bürgerentscheid?
Akteneinsicht zum Malteserschloss wirft zahlreiche Fragen auf
Ist der Bürgerentscheid zum Malteserschloss auf legitime Weise zustande gekommen? Diese Frage stellt sich nach einer Akteneinsicht in die Vorgänge rund um das Malteserschloss. In den Unterlagen finden sich zahlreiche Ungereimtheiten sowie Hinweise auf rechtswidriges Verhalten von Amtsträgern. Die Vorgeschichte des Bürgerentscheids erscheint in einem neuen Licht.
Der Bürgerentscheid ist vollzogen, der Städtebauliche Vertrag ist unterschrieben. Informationen, die erst jetzt zugänglich wurden, werfen allerdings ein ganz neues Licht auf die Vorgeschichte. Nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) steht es jedem Bürger zu, die Unterlagen der Stadt zu prüfen. Die Akteneinsicht nach dem LIFG förderte zum Teil haarsträubende Vorgänge zutage. Die wichtigsten Ergebnisse:
Fehlinformation für Bürger und Gemeinderat
Bürgermeister Löffler traf sich am 19. Juli 2018 mit den Investoren Hodeige, Wang und Shi. Auf der Gemeinderatssitzung am 14. Mai 2019 behauptete er jedoch, er habe erst im November 2018 von ihren Plänen erfahren. Den Gemeinderat informierte er mit fast einem halben Jahr Verzögerung – ein klarer Verstoß gegen die Gemeindeordnung. Damit verschaffte er den Investoren einen Vorsprung; für die mehrfach geforderte Machbarkeitsstudie blieb dagegen keine Zeit.
„Bürgerbegehren“ von Stadtverwaltung initiiert
Am 10. Oktober 2019 schickte Hauptamtsleiter Burgert einen ersten Entwurf des Bürgerbegehrens an den Anwalt der Stadt. Darin wird der Ratsbeschluss angefochten, der keine 48 Stunden zuvor gefasst wurde. Der Antrag des Vereins „Schule im Schloss“ wurde erst am 22. Oktober eingereicht.
Rechtsposition der Stadt geschwächt
Ein Bürgerentscheid „mit der genannten Fragestellung“ würde „die Rechtsposition der Investoren verbessern“ und der Stadt keinen Verhandlungsspielraum lassen, warnte Rechtsanwalt Dr. Lieber. Diese Warnung wurde ignoriert.
Viel Geld verschenkt
Die Vertreter der Stadt wussten, dass im Rahmen des Sanierungsverfahrens ein Ausgleichsbetrag fällig wird. Doch sie akzeptierten ohne Gegenwehr die rechtswidrige Verzichtsklausel im Städtebaulichen Vertrag. Nutznießer sind die Käufer, den Schaden von fast einer Million Euro tragen die Steuerzahler.
Fragwürdige Aktenführung
Die auffindbaren Akten sind unvollständig – es fehlen diverse Einträge, wesentliche Vorgänge lassen sich nicht mehr nachvollziehen. Ebenso fehlen Aktenzeichen und ein Verzeichnis. Eine nachträgliche Manipulation der Akten lässt sich nicht ausschließen.
Unbekannte Investoren und Briefkastenfirma
Bis Oktober 2020 haben weder Bürgermeister Löffler noch die Investoren nachvollziehbare Informationen über die Gebrüder Shi geliefert – entgegen anderslautenden Versprechen. In den Akten findet sich kein Hinweis auf irgendeine Bemühung, solche Information einzuholen. Die als Komplementär der Heitersheim Schlossgesellschaft Ltd. & Co. KG fungierende Rhodes Education Ltd. scheint nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung eine Briefkastenfirma zu sein.
„Selbstverständlich respektiert die BIM den Bürgerentscheid, zumal dieser bereits vollzogen ist“, betont BIM-Vorsitzender Zsolt Pekker. „Ein kritischer Blick auf die Vorgänge ist jetzt aber erst recht gefordert.“ Er verweist darauf, dass die BIM bereits im Juni 2020 eine Dokumentation zu den Vorgängen rund um das Malteserschloss vorgelegt hatte. Darin werden die öffentliche Diskussion sowie die kommunalen Entscheidungsprozesse anhand eigener Unterlagen und öffentlich zugänglicher Quellen untersucht.
Bereits dort fanden sich zahlreiche Hinweise auf die gezielte Manipulation der öffentlichen Meinung im Interesse der Investoren. „Die Erkenntnisse aus der Akteneinsicht schließen einige wesentliche Lücken in der Aufarbeitung. Wir können jetzt eindeutig belegen, dass die Entscheidungsprozesse der Jahre 2018-2019 von erheblichen Verstößen gegen Buchstaben und Geist der einschlägigen Gesetze geprägt ist. Das gilt ebenso für die Vorgeschichte des Bürgerentscheids. Die Analyse der Vorgänge lässt nur einen Schluss zu: Die Menschen in Heitersheim wurden massiv getäuscht, die Legitimität des Entscheids ist mehr als fraglich.“